- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Die Szene könnte aus einer Filmsatire stammen, doch sie ist Realität: Um ihre diplomatischen Kollegen aus aller Welt auf ihre Seite zu ziehen, verschenkte die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl in New York eine ganze Batterie von Raclette-Öfen. Damit wollte sie die Zustimmung der Uno-Vollversammlung zur Kandidatur der Schweiz für den Uno-Sicherheitsrat gewinnen.
Was soll man dazu sagen? So ein Käse.
Seite an Seite mit Grossmächten
Ob mit oder ohne schmelzendes Schmiermittel: Am Donnerstag wurde die Schweiz für die nächsten zwei Jahre in das mächtige Gremium gewählt. Sie bestimmt nun Seite an Seite mit den Grossmächten USA, China und Russland über Krieg und Frieden. Der Sicherheitsrat kann Sanktionen verhängen und Militäraktionen planen. Und die Grossmächte sind mit einem Vetorecht ausgestattet, das jeder demokratischen Legitimation spottet.
Geltungssüchtige Selbstüberschätzung
Auch der Zeitpunkt des Beitritts der Schweiz in den Klub der Mächtigen muss zu denken geben. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine herrscht in Europa wieder Krieg. Da wären die Guten Dienste, also die Vermittlungstätigkeit des neutralen Kleinstaats Schweiz, mehr denn je gefragt. Stattdessen mischt sie sich in einem Akt von geltungssüchtiger Selbstüberschätzung in die Grossmachtpolitik ein.
Dabei geben sich die Schweizer Spitzendiplomaten einer Illusion hin, wenn sie verkünden, sie könnten im Sicherheitsrat als «Brückenbauer» fungieren. Dass sie das nicht (mehr) sind, daran haben sie in den letzten Monaten selbst aktiv gearbeitet – mit ihrer Parteinahme im Ukraine-Krieg. In den Augen der Welt hat die Schweiz damit ihre Neutralität aufgegeben.
Schweiz reisst Brücken nieder
Dafür spricht auch, dass der Nationalrat in Bern am selben Tag, an dem in New York die Wahl in den Sicherheitsrat erfolgte, eine folgenschwere Änderung der Sanktionspraxis beschlossen hat: Die Schweiz soll neu eigenständige Strafmassnahmen beschliessen können, und diese sollen neben Staaten auch auf Unternehmen und Privatpersonen ausgeweitet werden.
Damit entfernen wir uns immer mehr von der erfolgreichen Staatsmaxime der Neutralität, die Sicherheit, Frieden und Stabilität gebracht hat. Brückenbauen sieht anders aus. Mit dieser emotional übersteuerten, radikalen Kehrtwende in der Aussenpolitik reissen wir vielmehr Brücken nieder. Die dadurch entstehenden Lücken werden sich auch mit Raclettekäse nicht zukleistern lassen.