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09.11.2022

Erste Bilanz zum flexiblen Stundenplan an der Schule Gossau

Thomas Eberle (rechts), Buechenwald Roger John (links), Rosenau Bild: Urheberrecht: © Daniel Ammann, all rights reserved
Die Ankündigung zum neuen Stundenplan für das Schuljahr 2022/23 an der Oberstufe in Gossau SG überraschte viele, weil er flexibel ist und gleitende Randzeiten für die Schülerinnen und Schüler vorsah. Die erste Schulstunde ist heute freiwillig und der obligatorische Teil startete eine Stunde später, nämlich um 08:30 Uhr. Wer den Tag früher beginnen möchte, kann dies tun, entweder mit Sport, einem musischen Angebot oder betreutem Lernen. Dasselbe gilt für die Lektion am Mittag zwischen 12.40 und 13.40 Uhr. 80 Tage sind seit dem Start vergangen. Zehn Behauptungen unserer Redaktion, beantwortet von den beiden Schulleitern Roger John und Thomas Eberle.

Am Morgen um 07.30 Uhr ist das Schulhaus leer.
Im Gegenteil. Seit der ersten Schulwoche sind in beiden Oberstufenschulhäusern Rosenau und Buechenwald regelmässig je 20 bis 30 Jugendliche freiwillig am Lernen.

Die Schüler*innen gehen am Abend später ins Bett und sind einfach eine Stunde später müde.
Die ersten Eindrücke sind anders. Lehrpersonen berichten, dass die Jugendlichen nach dem längeren Ausschlafen oder den sportlich/musischen Programmen am frühen Morgen um 08:30 Uhr aufmerksamer und frischer zur Schule kommen.

Die Schüler*innen nutzen die «freie Stunde», um die vergessenen Ufzig nachzuholen.
Ja. Was ist daran falsch? Wir spüren, dass viele Jugendliche zu Hause nicht das erforderliche Umfeld vorfinden oder sich einfach schlechter überwinden können, Hausaufgaben jeglicher Art zu erledigen. Ihnen hilft, wenn sie im schulischen Umfeld und in Anwesenheit von Lehrpersonen an schulischen Lernzielen arbeiten können.

Die Lehrer*innen sind von der Idee der Schulleitung wenig begeistert.
Das neue Schulmodell wurde von Lehrpersonen und Schulleitung zusammen entwickelt. Eine Umfrage Ende September hat ergeben, dass alle rund 60 Lehrpersonen ausnahmslos der Meinung sind, dass wir gut bis sehr gut mit dem neuen Schulmodell gestartet sind.

Die Faulen werden noch fauler, die Ehrgeizigen noch besser.
Wir überlassen die Organisation fürs Lernen nicht einfach den Jugendlichen. Wer viel Unterstützung braucht, bekommt viel Unterstützung. Wer bereits hoch selbständig ist, kann diese Selbständigkeit vielfältig ausleben. Zudem gibt es im neuen Schulmodell mehr Wahlmöglichkeiten (z.B. die dritte Sportstunde, die thematisch frei gewählt werden kann). Das hilft, dass sich die Jugendliche mehr (selbst)verantwortlich fühlen und sichtbar mehr Motivation zeigen.

Die anfängliche Skepsis der Eltern ist verschwunden.

Wir haben von Beginn weg sehr viel Zustimmung der Eltern erhalten. Erste Rückmeldungen zeigen, dass sich der spätere Schulbeginn auch zu Hause «entschleunigend» und beruhigend auswirkt. Zudem schätzen die Eltern die klarere Wochenstruktur mit den verbindlichen Blockzeiten am Vormittag und Nachmittag.

Andere Schulen der Region Fürstenland schauen neidisch aufs Gossauer Modell.
Neid ist das falsche Wort. Aber ja, es ist so: Wir werden sehr oft gefragt, wie unser Modell genau aussieht und wie die ersten Erfahrungen sind. Schön, wenn Elemente aus unserer «Gossauer Idee» auch in anderen Schulen praktiziert werden.

Jugendliche sind fitter, wenn sie am Morgen ausschlafen.
Darauf können wir noch keine verlässliche Antwort geben. Das Kinderspital der Universität Zürich begleitet uns im neuen Schulmodell und ihre Forschung zielt genau auf diese Fragestellung ab. Bereits hat vor den Sommerferien im alten System eine Befragung stattgefunden. Ende November 2022 erfolgt die nächste Erhebung. Wir sind sehr gespannt auf die Ergebnisse.

Die Pflichtzeiten in Gossau werden in den kommenden Jahren weiter reduziert.
An den Pflichtstunden des Kantons St. Gallen haben wir nie gerüttelt, es gab und gibt hier auch in Zukunft keine Reduktion. Es ist aber durchaus möglich, dass in einer Weiterentwicklung des Schulmodells die offenen Lernformen noch gesteigert oder dass die Wahlmöglichkeiten weiter ausgebaut werden.

Die Jugendliche lernen selbstbestimmt arbeiten – davon profitieren sie später im Berufsleben
Wir formulieren es hier gerne etwas anders: Die Jugendlichen lernen step by step, mehr Verantwortung für ihr Lernen zu übernehmen. Und ja, genau das ist es, was uns antreibt und was auch später in der Berufswelt oder in weiterführenden Schulen an Selbstkompetenzen gefragt sein wird.

David Hugi