- Kolumne von Dr. Philipp Gut
Die politische Macht und die Medienmacht: Das ist in gewissen Ländern ein Sumpf. Zu diesen Ländern gehört auch die Schweiz. Marc Walder, der Chef des Medienkonzerns Ringier, hat es persönlich angekündigt: «Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung», sagte er in einem von mir an Silvester vor einem Jahr im «Nebelspalter» publizierten Video.
Wie diese Unterstützung aussah, zeigen Enthüllungen der «Schweiz am Wochenende». Es gab «über 180 Kommunikationsvorgänge» zwischen Walder und Peter Lauener, dem damaligen Kommunikationschef von Bundesrat Alain Berset (SP). Auch mit diesem tauschte sich Walder aus.
Regierungspropaganda statt Journalismus
Den Leserinnen und Lesern fiel es schon lange auf: Ringier («Blick», «Sonntags-Blick», «Schweizer Illustrierte») hat sich zum Megafon der staatlichen Massnahmenpolitik gemacht. Was die Redaktionen zum Besten gaben, war oft kein Journalismus, sondern Regierungspropaganda. Trotzig behauptet nun Chefredaktor Christian Dorer: «Niemand beeinflusst Blick». Es gab nur einen beinahe automatischen Informationsaustausch.
«Liebe Chefs»
Ans Licht kommt eine eigentliche Staatsmedienaffäre. Denn auch wenn jetzt die anderen grossen Medien mit dem Finger auf Ringier zeigen – sie selbst haben sich ebenfalls wie Staatsmedien benommen.
So gehorchten die grossen Schweizer Verlagshäuser alle brav Berset-Copain Walder, als dieser sie im März 2020 aufforderte, auf den Titelseiten ihrer Zeitungen das ganzseitige Inserat «Bleiben Sie zuhause!» des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) zu publizieren. Der Bundesrat stehe hinter dieser Aktion, aber dies dürfe nicht bekannt werden, flüsterte Walden den «lieben Chefs» der Verlage zu.
Schlecht für Berset, schlecht für die SP
Die Folgen dieser Staatsmedienaffäre sind nicht zu unterschätzen.
Erstens für Berset persönlich: Der Bundespräsident ist angeschlagen, nach einer Reihe von Skandalen und Affären. Bereits gibt es zwei Strafanzeigen gegen ihn. Bundesräte sind schon wegen weniger zurückgetreten. Bei Elisabeth Kopp genügte ein Telefon. Das ist ein Klacks gegen die Hunderten von Indiskretionen aus dem Berset-Departement.
Und jetzt wird die Luft für Berset noch dünner. Er hatte behauptet, nichts von den Indiskretionen gewusst zu haben. Neue Belege der «Schweiz am Sonntag» zeigen aber: Berset wusste davon. «Freundliche Grüsse auch von Bundesrat Berset», schrieb sein Kommunikationschef am 6. November 2020 an Ringier-Boss Walder.
Zweitens für Bersets Partei, die SP: Ausgerechnet in einem eidgenössischen Wahljahr kommt ihr Bundespräsident unter Druck. Man kann verstehen, dass die Genossen not amused sind, mit einem lahmen Zugpferd in den Wahlkampf zu steigen.
Vertrauen in Politik zerstört
Drittens für den Bundesrat: Berset hat das Kollegialitätsprinzip systematisch verletzt. Das trifft unser kollegiales Regierungssystem ins Mark.
Viertens für die Politik überhaupt: Die Staatsmedienaffäre untergräbt das angekratzte Vertrauen in die Politik weiter. Was sollen die Bürgerinnen und Bürger von dieser klebrigen Hinterzimmerpolitik denken? Wie können sie der Regierung noch vertrauen?
Berset und Walder untragbar
Fünftens für die Medien: Wie kann man die grossen Verlage noch ernst nehmen, wenn sie sich derart vereinnahmen lassen?
Berset und Walder, sein selbsternannter externer Propagandaminister, sind beide untragbar geworden.
Quizfrage zum Schluss: Wie geht es mit ihnen jetzt weiter? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur: Es wird entscheidend davon abhängen, ob die Medien endlich ihren Job machen.