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09.02.2023

Das Blütenangebot fördern und für Bienen Gutes tun

Bild: BienenSchweiz
Bereits seit Wochen sind einzelne Bienen bei warmen Temperaturen summend unterwegs. Was hat das zu bedeuten? Wie überstehen diese Insekten den aktuellen Winter mit den wechselhaften Temperaturen? Müssen wir uns um die Bienen Sorgen machen? Die Redaktion hat mit dem Präsidenten des Imkerverbands St. Gallen-Appenzell, Hans-Peter Hagmann, gesprochen und ihm ein paar Fragen gestellt.

Redaktion: Der Winter ist dieses Jahr sehr wechselhalft, mal war es frühlingshaft warm, dann wieder sehr kalt. Wie gehen die Bienen mit diesen Temperaturschwankungen um?
Hans-Peter Hagmann: Für die Honigbienen ist dies grundsätzlich kein Problem, sofern das Bienenvolk genügend Bienen hat und Futtervorräte vorhanden sind. Bei Temperaturen über 10 Grad finden kurze Ausflüge statt, bei Minustemperaturen bildet das Bienenvolk in seiner Behausung eine sogenannte Wintertraube. Im Zentrum dieser Traube befindet sich die Königin. Hier liegt die Temperatur bei rund 25 Grad. Die Wärme wird erzeugt, indem die Bienen mit ihrer Flügelmuskulatur zittern. Werden nun die Tage länger, beginnt die Königin mit der Eilage. Für die Brutpflege ist dann eine Temperatur von rund 35 Grad nötig. Das braucht natürlich Energie und eine grössere Anzahl Bienen. Deshalb ist es wichtig, dass die Völker genügend Futterreserven haben und im vergangenen Herbst stark eingewintert wurden.

Und wie sieht es bei den Wildbienen aus?
Nebst unserer Honigbiene gibt es in der Schweiz etwa 600 Wildbienenarten. Die meisten dieser Wildbienen sind Einzelgängerinnen und bilden keine Staaten wie die Honigbienen. Ihr Nachwuchs überwintert als ausgewachsenes Insekt, als Larve oder Puppe in hohlen Pflanzenstängeln, in der Erde oder im Totholz. Die grosse Herausforderung der einzelnen Wildbienenweibchen ist es, in den Sommermonaten ausreichend Proviant für Nachkommen zu sammeln, welche dann zahlreich den Winter überstehen können. Sie benötigen einerseits Nistgelegenheiten und andererseits ein üppiges Angebot an Blüten. Das vielerorts mangelhafte Nahrungsangebot in den Sommermonaten ist für sie existenzbedrohend.

«Wir Imkerinnen und Imker tun uns etwas schwer ist dem Begriff “Bienensterben”. Schauen wir nämlich richtig zu den Bienenvölkern, dann überleben diese im Regelfalle gut.»
Hans-Peter Hagmann, Kantonalpräsident Imkerverband St. Gallen-Appenzell

Sie sprechen vom fehlenden Blütenangebot. Ist das die Ursache des immer wieder angesprochenen Bienensterbens?
Wir Imkerinnen und Imker tun uns etwas schwer ist dem Begriff “Bienensterben”. Schauen wir nämlich richtig zu den Bienenvölkern, dann überleben diese im Regelfalle gut. Fakt ist aber, dass die Natur heute weniger hergibt als vor Jahrzehnten. Deshalb kommt es zu Nahrungslücken unter dem Jahr. Sind im Laufe des Monats Mai sämtliche Wiesen im Tal gemäht, so wird es mit der Nahrung für die Bienen knapp. Die Förderung des Blütenangebots ist eine wesentliche Massnahme, um dem entgegenzuwirken.

Was kann dagegen unternommen werden? Haben Sie konkrete Vorschläge?
Die Lösung ist im Prinzip einfach: Es braucht mehr blütenreiche Lebensräume über die Saison. Jede Blüte zählt: Einheimische Wildblumen in einem Topf auf dem Balkon, der blühende Klee im Rasen und Blumen mit offenen Blüten im Blumenbeet. Aber auch blühende Hecken sind wichtig: Forsythien sind zwar schön, aber für alle Bestäuber wertlos. Wer diese durch Kornelkirschen ersetzt, hört im zeitigen Frühjahr schon bald das Summen der Bienen.

BienenSchweiz, unser Dachverband in der deutschen und rätoromanischen Schweiz, hat eine Blühflächenoffensive gestartet (siehe Kasten). Wir Imkerinnen und Imker wollen die Schweiz zum Blühen bringen. Dafür brauchen wir die Hilfe aller, jede und jeder kann etwas für die Bienen tun. Oft braucht es dazu nur wenig: Einfach den Garten weniger aufräumen und möglichst alles blühen lassen. Totholz oder abgestorbene Pflanzenstängel bleiben stehen, offene Bodenstellen werden geschaffen. Dies bietet den Wildbienen wertvolle Nistgelegenheiten – besser als jedes Insektenhotel aus dem Baumarkt. Um fundiert und konkret zu lernen, was man selber in seinem Umfeld Gutes für die Bienen tun kann, bieten wir auch die «Kurse Bienenschutz» an (Kasten).

Bild: BienenSchweiz

Was sagen Sie denn jemanden, der in die Bienenhaltung einsteigen möchte? Macht das vor dem Hintergrund des zu knappen Blütenangebotes Sinn?
Viele meinen tatsächlich, sie würden mit dem Halten von Bienen ein Problem lösen. Deshalb möchten zum Beispiel Firmen immer wieder Bienenvölker auf ihre Dächer stellen. Das ist zwar gut gemeint, aber es kann das Problem des knappen Nahrungsangebotes in gewissen Gebieten sogar verschärfen. Bevor man mit dem Imkern beginnt, muss man sich einige wichtige Gedanken machen: Hat es in meiner Region noch Platz für weitere Honigbienenvölker? Gibt es ein reichliches Blütenangebot? Diese Fragen zu beantworten ist nicht einfach. Ich empfehle Interessierten deshalb, sich an den örtlichen Imkerverein zu wenden.

Hinzu kommt, dass das Imkern nebst hoher Flexibilität und Zeitaufwand auch viel Wissen und Können braucht. Deshalb ist zentral, dass alle Einsteigerinnen und Einsteiger eine fachlich gute Grundausbildung absolvieren. Nur schon der Umgang mit der Varroamilbe ist eine grosse Herausforderung: Dieser Schädling ist seit rund 40 Jahren in allen Völkern präsent. Die Imkerschaft muss den Befall überwachen und eingreifen, wenn eine gewisse Schadschwelle überschritten ist. Bienenvölker, die mangelhaft oder gar nicht gepflegt und unterstützt werden, haben kaum Chancen, länger als 2-3 Jahre zu überleben. Wer Interesse an den Bienen hat, aber nicht sicher ist, ob er oder sie die Zeit in die Imkerei investieren kann, absolviert besser zuerst einen unserer Bienenschutzkurse. Dort wird auch konkret gezeigt, wie Honig- und Wildbienen aber auch andere Bestäuber unterstützt und gefördert werden können.

Zum Schluss nochmal zu den Honigbienen: Was können Sie denn über unsere Region und das vergangene Bienenjahr berichten?
Das Jahr 2021 stellte für die Bienen aufgrund des regnerischen und kühlen Wetters eine grosse Herausforderung dar. Um nicht zu verhungern, mussten die Völker teils gefüttert werden. Im Jahr 2022 sah es dann deutlich besser aus. Der Frühling bot überdurchschnittlich viele sonnige Flugtage zu einer Zeit, in der das Blütenangebot in Massen vorhanden war. So konnten Obstblüten, Löwenzahn und Raps rege beflogen werden. Die Bienen fühlten sich sichtlich wohl und entwickelten sich zu starken Völkern. Auch die Frühlingshonigernte fiel deshalb gut aus.

Wie haben die Bienen die grosse Trockenheit im Sommer 2022 überstanden?
Die Hitze ertragen die Bienen eigentlich gut. Die Trockenheit führte aber dazu, dass die Pflanzen wenig Nektar produzierten oder das Angebot gar ganz versiegte. Typische Sommerblüher wie die Linde gaben deshalb eher wenig her. Je nach Gebiet konnte aber ein köstlicher Waldhonig geerntet werden.

Weitere Informationen:

Blühflächenförderung von BienenSchweiz: Um ein möglichst grosses und vielfältiges Blütenangebot über die ganze Saison zu schaffen, braucht es die Unterstützung aller. Mit der Offensive für Blühflächen vernetzt BienenSchweiz Personen, die auf ihrem Land Blühflächen schaffen mit denen, die dies finanziell unterstützen möchten. www.bienen.ch/bluehflaechen

Kurse Bienenschutz: BienenSchweiz bietet Bienenschutz-Kurse an, in denen die Teilnehmer/-innen lernen, wie sie verschiedenen Bienenarten in ihrem Umfeld sinnvoll helfen und schützen können. www.bienen.ch/kurs

www.bienen.ch – Portal für die Bienen in der Schweiz mit den wichtigsten Informationen zu Bienenschutz und Bienenhaltung an einem Ort gebündelt.

BienenSchweiz ist der Imkerverband der deutschen und rätoromanischen Schweiz und vertritt 14‘000 Imkerinnen und Imker.

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