Roland Rino Büchel, Sie sind gerade auf dem Weg an eine ausserordentliche Sitzung des Büros des Nationalrats. Hat das mit dem Untergang der Credit Suisse zu tun?
Ja. Der Zug nach Bern wird wegen einer technischen Störung über Langenthal umgeleitet. Jetzt hat mir gerade jemand mit grosser Überzeugung gesagt, dass die schönsten Frauen aus dem bernischen Oberaargau kämen.
Passen Sie auf, sonst rücken Ihnen die Aufgeregten unter den Zeitgenossen auf die Pelle, bevor ich Ihnen meine Fragen stellen kann.
Sollen sie. Man wird wohl noch sagen dürfen, dass es in der Schweiz schöne und gescheite Frauen gibt. Auch im Rheintal, wo ich früh am Morgen wegfuhr, in Zürich, wo ich umstieg und im Aargau, wo ich durchfuhr. An der Sitzung des Büros wird die ausserordentliche Session zur Credit Suisse aufgegleist. Sie wird in der Woche nach Ostern stattfinden.
Was wird an der a. o. Session behandelt?
Es geht um eine 100 Milliarden schwere Ausfallgarantie des Bundes und eine Garantie für die UBS über neun Milliarden Franken. Diese braucht es nicht zuletzt, weil sich im Verwaltungsrat und im Management der Credit Suisse zu viele, primär ausländische, Quotenfrauen tummeln. Ihnen und ihren männlichen Kollegen waren der persönliche Profit und die Gendersternchen offensichtlich wichtiger als der Dienst am Kunden.
Der Bundesrat, die Schweizerische Nationalbank und die Bankenaufsicht FINMA haben für die Übernahme der CS durch die UBS schon alles aufgegleist. Wozu braucht es denn eine Extra-Session?
Die Frage ist mehr als berechtigt. Tatsächlich hat die FinDel, das sind drei National- und drei Ständeräte, quasi im Namen des Parlaments, die dreistellige Milliardensumme für diese Notfusion an einer kurzen Sitzung vom vorletzten Sonntagnachmittag abgenickt.
Wer in den vergangenen Tagen die Medien verfolgte, hörte aus dem Parlament viele Stimmen, die offenbar genau wissen, was jetzt zu tun ist. Die FDP fordert in Inseraten, dass die alte SKA wieder ins Leben gerufen wird. Ist das realistisch?
Wir müssen dafür sorgen, dass wir das tun, was möglich und richtig ist. Was in den letzten Tagen von einigen meiner Nationalratskolleginnen und -kollegen zu hören und zu lesen war, lässt nicht auf eine übermässig hohe Sachkenntnis schliessen. Aber Hauptsache, es wird geredet und getwittert …
Wäre es nicht Zeit für eine parlamentarische Untersuchungskommission PUK?
Sicher. Aber nur, wenn deren Auftrag eingeschränkt wird. Und zwar auf die Behörden und die Organe rund um die CS-Notfusion. Dazu gehören Bundesrat, Nationalbank, FINMA und die FinDel des Parlaments.
Die Grünen verlangen, dass künftige Bankkredite nur noch bei Einhalten von Nachhaltigkeits-Richtlinien vergeben werden dürfen. Was sagen Sie zu solchen Forderungen?
Schauen Sie sich die Verluste der Grünen in den neuesten kantonalen Wahlen an! Die Leute im Land merken, wie klein die Kompetenz und wie unmöglich die Ansinnen der Grünen in Wirtschaftsfragen sind.
Waren Sie nicht einmal Banklehrling? So wie Ihr SVP-Fraktionskollege Thomas Matter, der erfolgreiche Bankunternehmer, und FDP-Nationalrat Hans Peter Portmann, der Bankdirektor.
Von 1981 bis 1984 stiftete ich beim damaligen Sparverein Biene, der jetzigen «Clientis Biene Bank im Rheintal». Das ist eine grundsolide Bank, die vor 144 Jahren in Altstätten gegründet worden war. Seither wurden dort weit über hundert Lehrlinge ausgebildet. Bei den allermeisten lief die Abschlussprüfung geordneter ab als bei mir …
Weshalb?
Beim mündlichen Examen wurde ich nach 20 Minuten nach Hause geschickt.
Warum?
Der Vorabend war eher wild. Ich ging am frühen Morgen mehr oder weniger direkt von der Fasnacht an die Prüfung …
Also nicht bestanden?
Das habe ich nicht gesagt. Ich bekam sogar eine 6. Als mein Chef nachfragte, warum sie mir die Bestnote gegeben hätten, bekam er Folgendes zur Antwort: «Wenn einer in einem derartigen Zustand in der Lage ist, die Dinge richtig einzuordnen, dann ist er auch in Normalform brauchbar …» Ich bezweifle, dass es irgendwelche studierte «Hors-Sol-Banker» aus Zürich auch so pragmatisch gesehen hätten, wenn ich sie als Experten gehabt hätte …
Sie verabschiedeten sich dann recht bald aus dem Bankgeschäft. Warum?
Ich bekam nach dem Ende meiner Stifti interessante Job-Angebote. Diese zeichneten eine Karriere fast bis zur Pensionierung vor.
Von wem kamen die Angebote?
Einerseits von der damaligen SBG, die sich später mit dem Schweizerischen Bankverein zusammentat und zur heutigen UBS wurde. Dann von den zwei Banken aus dem Fürstentum Liechtenstein, welche die Prüfungsexperten stellten (lacht). Und auch von der Schweizerischen Volksbank, die später von der CS geschluckt wurde.
Roland Rino Büchel als Bankdirektor oder in einer Kaderposition, vielleicht gar bei der CS. Ist das vorstellbar?
Für einige offenbar schon. Mich zog es ab 1985 in die weite Welt hinaus; bis zu meinem Einstieg in die Politik im Jahr 2004 hatte ich Arbeits- und Lebenserfahrung in rund 20 Ländern gesammelt.
Das Bankwesen hat mit seinem Bankkundengeheimnis Generationen von Schweizern begleitet. Trotz deren Niedergang und den aktuellen Negativ-Schlagzeilen rund um die Credit Suisse hat die Schweiz das weltweite Bankgeschäft jahrzehntelang geprägt.
Die Banken haben, trotz Leuten wie Pierin Vincenz von der Raiffeisen und den vielen Abzockern in der Chefetage der CS, einen unschätzbar grossen Beitrag zum Prosperieren der schweizerischen Volkswirtschaft beigetragen. Und sie tun es immer noch.
Ohne gutes Personal geht das kaum?
Es arbeiten sehr viele gute Leute bei den Geldinstituten. Von meinen Bankstiften-Kollegen aus dem Abschlussjahr 1984 ist zum Beispiel René Bognar heute Direktor bei der «Biene», die es seit 1879 gibt. Die Tradition und die Menschen, die dort arbeiten, schaffen Vertrauen. Glaubwürdigkeit ist in keiner anderen Branche so entscheidend wie im Bankgeschäft.
Wie wird dieses Vertrauen (wieder) hergestellt?
Es braucht wieder mehr bodenständige «Bänkler». «Banker» haben wir genug.
Können Sie das ausdeutschen?
Im Gegensatz zu den gescheiterten CS-Managern und Verwaltungsräten wissen viele Bankangestellte, was sie können und was nicht. Das gilt auch für die meisten Angestellten der Credit Suisse. Und das ist gut so.
Die CS war sehr aktiv im Sponsoring. Sport und Kultur werden in Zukunft kaum mehr so viel Geld erhalten.
Die Bank hat ihre Sponsoringengagements häufig «überbezahlt». Künftig werden die Verbände, Veranstalter, Sportler und Künstler jene Summen erhalten, die der Markt tatsächlich hergibt.
Mehr bezahlen als notwendig; weshalb sollen die Verantwortlichen der CS das getan haben?
Sie haben immer wieder Sponsoringpackages geschnürt, die eher auf die verwöhnten eigenen Spitzenkader ausgerichtet waren als auf die Kunden der Bank. Solche Deals gehen ins Geld.
Die Credit Suisse speist die Kassen des Schweizer Fussballnachwuchses und der Super League massiv. Auch künftig?
Weil die UBS jetzt vom Staat gestützt wird, wird ihr nun von vielen Seiten her genau auf die Finger geschaut. Der Schweizerische Fussballverband wird das zu spüren bekommen.
Kann der Fussball andere Geldquellen erschliessen?
Eine bestehende Quelle sprudelt intensiver denn je.
Welche?
Die FIFA. Vor lauter Kritik an Präsident Gianni Infantino vergessen die Leute auch hierzulande, dass der Fussballweltverband die Beiträge an die nationalen Verbände vervielfacht hat und ihnen auch für die WM-Teilnahmen und für die Erfolge mehr Geld ausschüttet als je zuvor.
Gefährdet das Aus der CS die Kandidatur für die Frauen-Europameisterschaft vom Jahr 2025, wie in verschiedenen Medien berichtet?
Nein. Der Nationalrat hat unnötigerweise eine «Erklärung» dazu abgegeben. Das ist ein unüberlegtes Verhalten, welches der Kandidatur schadet. Mindestens bis ich den Inhalt der Verträge der UEFA sehe und kenne, werde ich sehr kritisch bleiben.
Warum?
Ausser der Schweiz gibt es keine einzige glaubwürdige und ernstzunehmende Kandidatur. Aus dieser Ausgangslage heraus ist zu verhandeln.
Es liegt eine Konkurrenzkandidatur mit Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden vor. Die vier nordischen Länder haben eine grosse Tradition im Frauenfussball. Das soll keine ernsthafte Gegenkandidatur sein?
Wenn die UEFA ihre hehren Nachhaltigkeits- und Umweltkriterien ernst nimmt, kann dieses Quartett kein ernst zu nehmender Konkurrent sein.
Weshalb?
Man kann für einen Anlass mit beschränkter Breitenwirkung die Mannschaften und die Fans nicht kreuz und quer in Skandinavien herumfliegen lassen. Die UEFA muss froh sein, wenn die Schweiz bereit ist, die Veranstaltung durchzuführen.
Das tönt sehr selbstbewusst.
Es ist eine realistische Lagebeurteilung. Ich habe weltweit genug mit solchen Anlässen zu tun gehabt, um das nüchtern einschätzen zu können.
Und falls sich die UEFA nächste Woche gegen die Schweiz als Durchführungsort entscheidet?
Dann ist es halt so.
Die Schweizer Männer haben am Samstag in Serbien gegen Belarus gespielt und souverän gewonnen. War der Austragungsort nach den hässlichen Szenen zwischen den Schweizern und den Serben an der WM in Katar sinnvoll gewählt?
Dass in einem «neutralen» Land gespielt wurde, wäre an sich in Ordnung. Das hundertjährige Kleinstadion von Novi Sad war in etwa die schlechteste Lösung, die man sich ausdenken kann.
Es waren keine Zuschauer zugelassen, die Gefahr von Ausschreitungen war also eingedämmt.
Man darf selbstverständlich glauben, dass die UEFA der Schweiz gut gesinnt sei. Weil dem jedoch nicht so ist, muss knallhart und kompromisslos verhandelt werden, wenn es um die Durchführung der Frauen-EM 2025 geht. Aber mich hat am Samstag etwas Anderes richtig aufgeregt.
Was genau?
Der mit Abstand auffälligste Sponsor des Spiels gegen Belarus war «Betera». Das ist eine weissrussische Firma, die widerrechtlich Wetten bewirbt und anbietet. Ich habe für den Europarat einen Bericht über die Korruption und illegale Wetten im Sport erarbeitet, der genau dieses Problem beleuchtet.
Machte darüber nicht der Investigativ-Journalist Marc Meschenmoser aus dem Rheintal einen Beitrag für die SRF Rundschau?
Genau. Und was sagte UEFA-Präsident Aleksander Čeferin damals fadengerade in die Kamera? Illegale Wetten auf (manipulierte) Spiele seien das grösste Krebsgeschwür im Sport, also schlimmer als alle korrupten Funktionäre und das Doping zusammen.
Viele Länder haben die sogenannte Magglinger Konvention gegen Sportbetrug jedoch nicht ratifiziert. Warum?
Interessanterweise sind es vorwiegend die EU-Staaten. Auch die UEFA verhält sich äusserst passiv in dieser Sache. Damit schützen sie korrupte und mafiöse Machenschaften, primär im EU-Land Malta.
Können Spiele wie Belarus – Schweiz überhaupt manipuliert werden?
Jedes Spiel kann manipuliert werden. Aber ich vermute, dass niemand darauf gewettet hat, dass Renato Steffen einen lupenreinen Hattrick für die Schweiz erzielen würde. Er hat in 29 Minuten dreimal mehr Tore geschossen als in seinen übrigen 29 Länderspielen zusammen. Steffen hat einfach die Gelegenheit geschickt genutzt, die sich ergeben hat.
Die Schweiz hat selten gegen einen schwächeren Gegner gespielt als am Samstag gegen Belarus.
Klar war der Gegner schwach. Aber nach dem katastrophalen WM-Aus mit dem 1:6 gegen Portugal (ohne Cristiano Ronaldo) ist dieser klare Sieg für unsere Nati wichtig. Gut, dass sich die Mannschaft wieder auf den Fussball fokussierte – und nicht auf irgendwelche Nebenschauplätze wie an der WM in Katar.
Die Nationalmannschaft scheint gefestigt. Und Yann Sommer ist wieder zu dem Rückhalt geworden, der er vor der WM war.
Morgen spielt die Nati in Genf gegen Israel. Da kann die Schweiz schon einen grossen Schritt in Richtung EM 2024 machen. Sommer muss darauf auch im Bayern-Dress hellwach sein und seinen neuen Trainer Thomas Tuchel überzeugen, dass er die richtige Nummer eins im Tor der Bayern ist. Dies schon am Samstag gegen dessen ehemaligen Verein Borussia Dortmund. Das ist auch das Team des norwegischen Superstars Erling Haaland.
Gegen dessen Mannschaft, Manchester City, spielen Sommer und die Bayern im nächsten Spiel der UEFA Champions League.
Hoffen wir, dass Haaland unserem Natigoalie kurz vor Ostern nicht fünf Eier ins Netz setzen wird, wie er es gegen RB Leipzig im Achtelfinale der Champions League getan hat. Als Oberrieter fiebern wir mit Yann Sommer besonders mit; er ist quasi einer von uns.
Wie bitte? Yann Sommer ein Rheintaler?
Übertreiben müssen wir schon nicht. Aber Yann Sommer war tatsächlich einmal fast mein Nachbar, als er im Eichenwies wohnte. Das war in den Jahren 2007 bis 2009, als er beim FC Vaduz spielte.
Letzte Frage zum zweiten Wahlgang für den St.Galler Ständeratssitz: Wer setzt sich durch, Barbara Gysi oder Esther Friedli?
Die Wähler im Kanton St.Gallen haben die Wahl zwischen einer Profipolitikerin, die sich als Präsidentin des Personalverbandes des Bundes für die Belange der Bundesangestellten einsetzt. Das ist nicht verboten. Aber ich empfehle den St.Gallerinnen und St.Gallern, Esther Friedli zu wählen. Sie ist Unternehmerin und Landwirtin. Und, was vielfach untergeht, Esther ist auch eine studierte Politologin, die während Jahren Generalsekretärin des St.Galler Bildungsdepartements war. Sie wird sich am 30. April 2023 durchsetzen.