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Lifestyle
12.05.2023

Kiesgrube bietet Chance für seltene Amphibien

Bild: radi
Der Kiesabbau reisst Wunden in die Landschaft. Deshalb galten Kiesgruben lange als Schandflecke. Dank ökologischen Massnahmen und der kantonalen Biodiversitätsstrategie werden sie immer mehr zu naturnahen Oasen. Ein ausgezeichnetes Beispiel ist das Kieswerk in Kirchberg.

Auf einer Fläche von 33 Hektaren wird im Gebiet Riedenboden-Chalchbüel in Kirchberg Kies abgebaut. Dies entspricht der Grösse von rund 45 Fussballfeldern. Das Kieswerk gehört zur Holcim Schweiz AG. Es ist ein Tochterunternehmen eines weltweit tätigen Baustoffkonzerns. Pro Jahr werden hier 500'000 Tonnen Kies für die Herstellung von Beton und Asphalt abgebaut. Im Gegenzug wird gleichviel sauberes Aushubmaterial verfüllt. Während des Abbaus werden immer wieder neue Pioniergewässer geschaffen. Also Gewässer, die an unterschiedlichen Stellen neu entstehen oder periodisch austrocknen. Auf diese Dynamik angewiesen sind stark gefährdete Amphibienarten wie beispielsweise die Kreuzkröte oder die Gelbbauchunke. Die Population der bedrohten Tiere zu halten und möglichst zu erhöhen, ist Teil der kantonalen Biodiversitätsstrategie. Damit verfolgt die St.Galler Regierung die Vision «Vielfalt leben – Akzente setzen». Dank der engen Zusammenarbeit der Holcim AG, dem kantonalen Amt für Natur, Jagd und Fischerei, dem Bundesamt für Umwelt, der Gemeinde Kirchberg und der fachlich-ökologischen Begleitung bestehen heute auf dem Werkareal wertvolle Lebensräume für seltene und geschützte Tier- und Pflanzengemeinschaften. Die Amphibienlaichgebiete sind gar von nationaler Bedeutung.

Erfolg ist sichtbar

Auf einer gemeinsamen Begehung des Werkareals der Holcim AG überzeugten sich Vertretern aus Behörden, Politik, Kieswerkbetreibern sowie Fachleute von den getroffenen Massnahmen und deren Erfolg. Regierungsrat Beat Tinner zeigt sich am Rande der Flutwiese erfreut: «Hier wurde weit mehr für die Ökologie und Biodiversität investiert, als gesetzlich gefordert ist. Es ist eindrücklich zu sehen, dass das Engagement aller Beteiligten Früchte trägt.» Der Einsatz für die Natur wurde von der Stiftung Natur und Wirtschaft erkannt und mehrfach ausgezeichnet. Die erste Etappe der Aufwertungsmassnahmen wurde im Winter 2017/18 gestartet. Inzwischen konnten fünf Etappen umgesetzt werden. Die Kosten werden zu 80 Prozent vom Amt für Natur, Jagd und Fischerei und zu 20 Prozent vom Werkbetreiber getragen. Wie das Monitoring von Bruno Schättin, Mitglied Ökokommission, zeigt, darf in Kirchberg von einer Erfolgsgeschichte gesprochen werden. Während beim Start der Massnahmen auf dem Areal noch 20 bis 30 Kreuzkröten lebten, ist heute die Population auf etwa 350 Individuen angestiegen. Voller Stolz berichtete der engagierte Fachmann: «Beim Start des Projekts zählten wir 17 Laichschnüre von Kreuzkröten, dieses Jahr sind es bereits 72. Und es dürften noch einige dazukommen, da die Saison noch nicht abgeschlossen ist.»

Chöre sind eindrücklich zu hören

Wesentlich zum Erfolg der Vermehrung der seltenen Amphibienarten beigetragen hat Esther Schweizer. Die Umweltingenieurin hat ihre Bachelorarbeit sowie ihre Masterarbeit den Kreuzkröten gewidmet und sich so ein enormes Wissen über den Primärlebensraum der Amphibien angeeignet. Sie weiss genau, was die Kreuzkröten benötigen, damit sie den neu geschaffenen Lebensraum annehmen. Die Investition in naturnah gestaltete Anlagen ist notwendig, weil es in der freien Natur aufgrund von Verbauungen von Bächen und Flüssen kaum mehr Auen gibt. Revitalisierte Kiesgruben bieten daher einen Ersatz für die gefährdeten Amphibienarten. Speziell auf dem Firmenareal der Holcim AG ist, dass die Gewässer dank einem Schacht abgelassen werden können. Dadurch wird die natürliche Dynamik nachgeahmt. Insgesamt befinden sich auf dem Gelände zehn solch ablassbare Gewässer. Wie die Chöre der Kreuzkröten und Gelbbauchunken nach dem Eindunkeln eindrücklich beweisen, hat das Leben in der Kiesgrube Einzug gehalten. Ziel der Fachleute ist es nun durch die Schaffung von weiteren Gewässern die Voraussetzung für eine Vernetzung in Richtung Thur zu schaffen. Damit die Erfolgsgeschichte weitergeschrieben werden kann, braucht es allerdings auch künftig den grossen Einsatz aller Beteiligten sowie den Unterhalt des naturnah gestalteten Amphibien-Paradieses.

pd