Am Donnerstag, dem 9. März 2023, erhielt ich Besuch von Sylvie Bianchi und ihrem Mann Christian aus Maule in Frankreich. Sie suchten nach Spuren ihrer Grossmutter Nelly Mousset-Vos (1906–1987) und deren Freundinnen Jeanne Debue und Carmen D'Aubreby. Nelly war als Überlebende des Konzentrationslagers Mauthausen bei Linz in Österreich 1945 nach St.Gallen gekommen.
Am Freitag, dem 10. März 2023, wurde in Basel der Film «Nelly & Nadine» gezeigt: «Filmvorführung und Gespräch mit Nellys Enkelin Sylvie Bianchi». Zu Nelly Mousset-Vos erfuhr ich von Sylvie Bianchi Folgendes: Nelly war verheiratet und hatte zwei Kinder. Sie war Opernsängerin und während des Zweiten Weltkriegs Widerstandskämpferin. Sie wurde 1943 in Paris verhaftet, kam ins Gefängnis Saint-Gilles in Belgien, dann 1944 ins Konzentrationslager Ravensbrück und schliesslich nach Mauthausen.
Zum erwähnten Film erhielt ich unter anderem folgenden Text: «Nelly & Nadine ist die unwahrscheinliche Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, die sich an Heiligabend 1944 im Konzentrationslager Ravensbrück ineinander verlieben. Obwohl sie in den letzten Kriegsmonaten getrennt wurden, gelingt es Nelly und Nadine, sich später wiederzufinden und den Rest ihres Lebens gemeinsam zu verbringen. Viele Jahre lang wurde ihre Liebesgeschichte geheim gehalten, selbst vor einigen ihrer engsten Familienangehörigen. Nun hat Nellys Enkelin Sylvie beschlossen, das persönliche Archiv von Nelly und Nadine zu öffnen und ihre bemerkenswerte Geschichte aufzudecken.»
Im Hadwigschulhaus konnte ich den Ort zeigen, wo die Opfer der Konzentrationslager 1945 empfangen wurden, und die ersten Dokumente und Fotos vorlegen. – Nachforschungen in St.Gallen verliefen dagegen erfolglos: Nelly Mousset-Vos finde ich in den mir im Stadtarchiv St.Gallen zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht; ihr Name konnte in Listen und Verzeichnissen (beispielsweise in «Flüchtlinge, welche das Luftschutz-Notspital Waisenhaus St.Gallen passiert haben») nicht gefunden werden. Nelly war vermutlich physisch nicht «sehr krank», psychisch jedoch schon. Sie konnte in Konstanz «un tour de ville avec Jeanne» unternehmen und zwei Nächte lang «dehors entre les camions» schlafen, so dass sie wohl nicht ins Notspital aufgenommen werden musste. Zudem verbrachte sie nur fünf Tage in St.Gallen. Vermutlich fertigte man von solchen «Kurzaufenthaltern» keine Listen an.