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Kultur
13.02.2024
13.02.2024 12:14 Uhr

Wieder ein Toter – Gidio Hosestoss stirbt zum 180. Mal

Bild: herisau24.ch/yg
Am kommenden Mittwoch, 14. Februar, wird der geschätzte Herisauer Gidio Hosestoss zum 180. Mal zu Grabe getragen: Der Trauerzug samt Witwe Eulalia Fadehäx, geborene Chuefödle, und Pfarrer sowie Mesmer erwarten die öffentlichen Trauergäste ab 15 Uhr. Einmal mehr steht auch die Leckerli-Kommission rund um den ehemaligen Feuerwehrkommandanten Roger Schläpfer in den Startlöchern.

Wiedermal elendig an einem Leckerli verreckt – Gidio Hosestoss ist aber auch ein Pechvogel. Er stirbt am gestohlenen und ungefüllten Lebkuchen – wie ärgerlich, dass ihm sogar eine köstlich-süsse Marmeladenfüllung im letzten Todesmahl verwehrt geblieben ist. Der Brauch zur Gidio Aufbahrung am Aschermittwoch bis zur Verbrennung am Funkensonntag entstand bereits 1844: Vor genau 180 Jahren. „Bis heute führen wird die Tradition fort“, sagt Obmann Roger Schläpfer, der mit fünf weiteren ehemaligen Feuerwehroffizieren die Leckerli- bzw. die Gidio-Kommission besetzt.

So feiern die Evangelen Fasnacht
Der Legende nach entdeckten fünf Buben einen ähnlichen Brauch beim Besuch vom Nachbardorf Gossau im 19. Jahrhundert. Sie kamen zurück nach Herisau und etablierten die Aufbahrung und Verbrennung von Gidio Hosestoss – dem damals neuen Wahrzeichen für die Herisauer Fasnacht. „Lange Zeit war das Feiern der Fasnacht nicht gerne gesehen und sogar verboten“, erklärt Schläpfer. Umso bedeutender sei die Tradition für das Brauchtum in einem reformierten Kanton wie Appenzell Ausserrhoden. „Die grosse Fasnacht gibt es sonst eher bei den Katholiken.“

Gründung der Leckerli-Kommission
Seit über 100 Jahren gibt es auch die sogenannte Leckerli-Kommission, die sich für den Erhalt des Gidio-Brauchs einsetzt und ihn am Leben hält. „Sie wurde wohl von Feuerwehroffizieren gegründet“, sagt Schläpfer. Ein genaues Gründungsdatum existiere aber nicht. „Wir haben lediglich alte Kassenbücher von vor 100 Jahren, die die Existenz beweisen.“ Seit Herbst 2023 ist das Komitee schon in den Startlöchern und bereitet den diesjährigen Gidio-Umzug vor: “Es müssen über 70 feste Positionen im Umzug besetzt werden. Dafür nehmen wir meistens Oberstufenschüler“, erklärt Schläpfer.  

Verbrennungsgidio ist eine Kopie
Der Brauch zu Gidio Hosestoss ist seit jeher mehr oder weniger unverändert. Am Aschermittwoch erfolgt die Aufbahrung des „Toten“, der von einem grossen Trauerzug begleitet wird. Die offiziellen Rollen werden in traditionellen Kostümen ausgeführt: Mit Masken und historischen Kleidern, die schon seit Jahrzehnten die gleichen sind. Verwaltet und eingelagert werden diese vom Leckerli-Komitee. „Auch die Leiche des Gidios ist immer dieselbe“, sagt Schläpfer. Am Funkensonntag verbrannt wird eine weniger wertvolle Kopie.

Historische Trauergäste
Zu den historischen Trauergästen zählt der Hauptmann mit seiner Garde und der Kanone, die stetig Schüsse abgibt, der Wagen mit den trauernden, weinenden Verwandten, der Leichenwagen mit dem toten Gidio sowie hinter allen hergehend der Pfarrer mit dem Mesmer. Im Anschluss an den offiziellen Trauerzugteil folgt das „offene Trauervolk“, welches sich frei kostümieren kann. Der gesamte Umzug besteht aus Kindern und Jugendlichen: „Es ist ein traditioneller Kinderbrauch. Erwachsene nehmen allenfalls als Begleitpersonen und in den vier Herisauer Guggenmusiken teil“, erklärt Schläpfer. Im letzten Jahr bestand der Umzug somit aus rund 1200 Teilnehmenden.

Unveränderte Route
Die Route des Umzugs habe sich früher immer mal wieder geändert. Seit einigen Jahren ginge sie aber in etwa eine Stunde entlang derselben Gassen. „Früher wurde ums ganze Dorf gezogen, da war man sehr lang unterwegs – teilweise auch ohne Publikum.“ Auf der gekürzten Route habe es nun immer Zuschauende. Auf Grund der kürzeren Streckenlänge habe der Umzug darüber hinaus einen Zuwachs an mitmachenden Kleinkindern erfahren. „Es ist schön, dass auch die ganz kleinen Kinder nun am Umzug teilnehmen können.“

Finanzierung durch Spenden
Die Finanzierung des Brauchs läuft massgeblich über Spenden und die materielle und personelle Unterstützung durch die Gemeinde. „Für die grösseren Anschaffungen wie Masken und Kostüme konnten wir schon auf die grosszügige Unterstützung von Stiftungen zählen.“ Am Umzug laufen auch Matrosen als Kässeler mit, welche um freiwillige Spenden bitten. „Verdienen will allerdings keiner etwas: Es geht um den Traditionserhalt“, sagt Schläpfer. Auch er und seine Komitee-Mitglieder arbeiten unentgeltlich.

Fasnacht verändert sich
Auch wenn der Gidio-Brauch immer noch derselbe ist, habe sich die Art und Weise der Auslebung der Fasnacht verändert: „Früher wurde die Fasnacht in Herisau stärker in den Restaurants gefeiert“, erinnert sich Schläpfer. Es waren zu den Spitzenzeiten auch schon über zwei Dutzend Restaurants dekoriert gewesen – heute gäbe es nur noch eine Handvoll. Auch habe es zwischenzeitlich sieben Guggenmusiken gegeben – heute seien noch vier übrig.

Weniger Einzelpersonen, mehr Gruppen
Am Aschermittwoch nehmen zahlreiche Gruppen und Schulklassen am Gidio Hosestoss-Umzug teil: „Früher haben die Kinder als Einzelpersonen teilgenommen, heute kommt das eigentlich nicht mehr vor. Die Kinder nehmen vor allem als Gruppen mit erwachsenen Begleitpersonen teil. “ Eine offizielle Anmeldung zum Umzug gibt es allerdings nicht: „Am Umzugstag wird alles ad hoc zusammengestellt.“ Einzig die immer wieder teilnehmenden Schulklassen und Einrichtungen schreibe man im Vorhinein an und erfrage die ungefähre Teilnehmerzahl: Denn am Ende des Umzuges gibt es für alle Teilnehmenden Leckerli's als Geschenk nach der offiziellen Abdankungsrede durch Pfarrer und Mesmer. „Wir verteilen dann rund 3500 Leckerlis. Damit alles schneller geht, portionieren wir diese vorher zur Abgabe an die Gruppenleiter“, erklärt Schläpfer.

Feuerwehr regelt Verbrennung
Nach Aschermittwoch wird die Gidio-Leiche aus dem Umzug wieder eingelagert. „Am Sonntag wird dann eine Puppe auf dem Funken verbrannt, welchen der Feuerwehrverein organisiert“, erklärt Schläpfer. Vor rund 50 Jahren übernahm die Feuerwehr die Federführung der Gidio-Verbrennung am Funkensonntag. „Davor haben die Kinder im Dorf alles selbst auf die Beine gestellt – zeitweise gab es nicht nur einen, sondern mehrere Gidiofunken – es herrschte wohl ein Konkurrenzkampf um das schönste und grösste Feuer der Kinder aus den verschiedenen Gemeindebezirken“, erinnert sich Schläpfer. Viel umweltfreundlicher, sicherer und besser organisiert sei die Verbrennung der „Leiche“ auf dem Ebnet seither mit dem Feuerwehrverein als verantwortliche Organisation. 

Herisauer DNA
Für den ehemaligen Feuerwehrkommandanten ist der Gidio-Brauch eine nicht wegzudenkende Tradition: „Gido Hosestoss ist Teil der Herisauer DNA – seit meiner Jugend begleitet er mich“, erklärt Schläpfer. Ebenso wie das Kinderfest, der Blochmontag oder das Silvesterchlausen, die ebenfalls nicht wegzudenkende Teile der Herisauer Identität seien. Schläpfer wäre sehr traurig, würde die Tradition irgendwann ein Ende finden. „Es liegt mir sehr am Herzen, die Fasnacht und Gidio Hosestoss zu erhalten“, sagt er.

Tradition nicht in Gefahr
Seit vier Jahren präsidiert er das Leckerli-Komitee. Die Zukunft des Gidio Hosestoss Brauchs sieht er aber auch über seine Amtszeit hinaus gesichert. Der Bevölkerung sei Gidio Hosestoss ebenso wichtig: „Der Umzug ist ein beliebter Treffpunkt in der Herisauer Agenda – nicht nur Dagebliebene, auch Weggezogene kommen an diesem Tag in ihre alte Heimat zurück“, weiss Schläpfer. Die Anlässe rund um Gidio seien traditionelle Daten des Zusammenkommens und Wiedersehens, die viele schätzen – und das schon seit ihrer eigenen Jugend. „So leicht verschwindet der Brauch nicht aus den Köpfen“, ist er sich sicher.

Weitere Informationen zum Umzug und anschliessendem Kindermaskenball:

Gidio Hosestoss Kinderfasnachtsumzug Herisau

Vanessa Vogt