Trotz der grossen Hitze kamen rund 30 Teilnehmer/innen zum Informationsanlass der Gemeinde bezüglich der Abstimmung zum Finanzreferendum am 22. September. In rund einer Stunde informierte Gemeindepräsident Max Eugster die Anwesenden zum Inhalt der Initiative, erklärte verständlich die Auswirkungen einer Annahme und führte nachvollziehbar durch die Argumente beider Lager. Am 13. August publizierte die Gemeinde zudem ein Erklärvideo auf Ihrem YouTube-Channel und den lokalen Medien, welches die Pro- und Kontraargumente nochmals prägnant und informativ auf dem Punkt bringt (auf Herisau24: Video). Die Veranstaltung war somit eine weniger gut besuchte Ergänzung der danach folgenden Video-Massnahme. Gemeinde- und Einwohnerrat empfehlen die Initiative mit 19 zu 11 Stimmen zur Ablehnung.
Initianten im Publikum
Das gute Wetter sorgte am Montagabend für drückende Wärme und wenig Sauerstoff im evangelischen Kirchengemeindehaus – das knackige Finanzthema trug zusätzlich zu rauchenden Köpfen bei. Unter den Anwesenden waren auch einige Mitglieder der Gruppierung «Herisau – lebendig & demokratisch», welche die Initiative angestossen haben. Die Initiative fordert die Wiedereinführung des fakultativen Referendums zum Voranschlag der Gemeinde bezüglich Jahresbudget und Steuerfuss.
Wiedereinführung eines Referendumsrechts
Bis 31. Mai 2012 hatte die Gemeinde zu jedem Budget ein obligatorisches Referendum: Im März 2012 übertrugen die Stimmbürger die Kompetenzen zum Voranschlag und Steuerfuss mit 1'991 Ja- zu 1'589 Nein-Stimmen an den Einwohnerrat, der bis heute als gewählte Vertretung das letzte Wort bei den Finanzen hat. Sollte die Initiative angenommen werden, würde dies zu einer erneuten Änderung der Gemeindeordnung führen. Das Ergebnis? Stimmberechtigte hätten das Recht auf eine Urnenabstimmung zu Voranschlag und Steuerfuss, wofür vorab 200 Unterschriften gesammelt werden müssten. Diese Hürde sei zwar höher als bei anderen fakultativen Referenden, so Eugster, man müsse aber dennoch mit deren Erreichung kalkulieren.
Mehrheitlich vorgegebene, gebundene Ausgaben
Eugster erklärte, dass die Budgetplanung des Gemeinderats auf den Credos der Sparsamkeit, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit beruhe. „Jede Ausgabe ist – mit Ausnahmen von wenigen Kleinbeträgen wie Vereins- oder Institutionsaufwänden - mit einer definierten Leistung verbunden - ist also eine gebundene Ausgaben. Zudem setzt sie eine Rechtsgrundlage voraus.“ Alle Ausgaben würden auf Notwendigkeit und Tragbarkeit geprüft werden – vom Kanton käme zusätzlich die Vorgabe, die Ziele möglichst günstig zu verwirklichen.
Wenig Spielraum – viel Gewissenhaftigkeit
„Die Gemeinde hat also wenig Spielraum bei Finanzentscheiden“, sagt Eugster. Herisau habe seit Jahren - mit nur einer Ausnahme im - immer mit einem Ertragsüberschuss abgeschlossen und hielt auch den kantonalen und unabhängigen Prüfungen stets stand. Dies zeige, dass der Gemeinderat sehr gewissenhaft bei der Budgetierung vorgehe, so Eugster. „Der gewählte Einwohnerrat befasst sich zudem intensiver mit dem Voranschlag als es jedem Stimmberechtigten möglich wäre und kann so eine fundierte Entscheidung für oder gegen den Voranschlag treffen“, so Eugster.
Nur ungebundene Ausgaben beeinflussbar
Der Voranschlag basiere auf durchdachten Vorentscheiden wie zum Beispiel zu Bauprojekten, Vereinbarungen mit Dienstleistern, Sozialhilfeleistungen und Unterhaltskosten. „Das übergeordnete Recht gibt unserer Gemeinde bei 90-95 % der Ausgaben vor, welche Ausgaben getätigt werden“, erklärt Eugster. Diese nennt man dann gebundene Ausgaben. Faktisch fielen lediglich 5-10%, nämlich die ungebundenen Ausgaben, in den Kompetenzbereich bei Finanzentscheidungen, da die restlichen Ausgaben fix vorgegeben seien.
„Wackelkandidat“ Sportzentrum
Eine diese ungebundenen und aufschiebbaren Ausgaben sei zum Beispiel das Sportzentrum Herisau: „Sollte die Initiative angenommen werden und es zu einem Referendum kommen, wäre die Finanzierung dessen eine aufschiebbare Ausgabe, die in der Budgetüberarbeitung zu Streichungen führen könnte“, so Eugster. Das Sportzentrum sei ein „Wackelkandidat“.
Lehren aus Gossau und Frauenfeld
Aus den Beispielen Gossau und Frauenfeld, die ebenfalls mit einer Budgetüberarbeitung zu kämpfen hatten, konnte Eugster einige abschreckende Beispiele nennen: „Überabreitet man die ungebundenen Ausgaben und versucht zu sparen, geschieht dies oft auf Kosten der sozialen Angebote wie Schullagern, Beratungsangeboten, Anlässen der Stadt oder von Vereinen wie Badi-Öffnungszeiten, Unterstützungsbeiträgen, Lohnerhöhungen und ähnlichem.“ Diese Konsequenzen würden zahlreiche Bürger direkt spüren.
Ungünstiger Zeitplan
Kritisch sieht die Gemeinde zudem den Zeitplan zur Budgetierung und Finanzplanung, der inskünftig unter einer Ablehnung des Voranschlags ins Wanken kommen würde. „Die Genehmigung des Voranschlages soll möglichst noch vor dem Rechnungsjahr erfolgen: Das wird bei einem Referendum fast unmöglich“, sagt Eugster. Der Zeitplan heute bedinge einen Start der Budgetplanung Ende Juni. „Mit dem ersten Jahr haben wir ausreichend Einblick, um verlässliche Zahlen für das kommende Jahr zu erstellen.“
Ungenaues Budget
Mit dem fakultativen Referendum müsste die Planung idealerweise schon Ende Februar starten: „Zu diesem Zeitpunkt wären die Zahlen jedoch sehr spekulativ und hätten voraussichtlich grosses Änderungspotenzial“, so Eugster. Die bisherige Budgetsitzung des Einwohnerrates von Mitte Dezember müsste auf den September verschoben werden. Käme es dann zu einem Referendum würde die Zeit zum Vorlegen eines neuen Budgets knapp.
Auszahlungsstopp für ungebundene Ausgaben
Würde der neue Voranschlag zudem erneut abgelehnt, wäre frühestens mit einem Budgetentscheid im Mai des Folgejahres zu rechnen. So geschehen in Gossau (bis März 2024) und Frauenfeld (bis Juni 2024) bei denen auf Grund der Überabreitungen ein vorübergehender Ausgabenstopp für Zahlungen ohne gesetzliche Grundlage herrschte: „Bis dahin lägen die ungebundenen Ausgaben auf Eis und müssten bis zur Freigabe des Voranschlages eingestellt werden.“ Auch neue Projekte oder Ausgaben könnten nicht starten. Nicht ausser Acht zu lassen seien zudem die allgemeinen Kosten für eine separate Abstimmung: Diese belaufen sich auf rund 20‘000 Franken.
Zeit für Fragen, nicht für Diskussionen
Nach der Information folgte eine kurze Fragerunde zur Klärung von Verständnisfragen, wie zum Beispiel nach den tatsächlichen Steuereinnahmen pro Kopf (Gemäss Eugster keine Auskunft möglich wegen Steuergeheimnis, nur pro Kopf Schätzung für Vergleichbarkeit zwischen den Gemeinden einsehbar) der Zeitplanung des Budgetprozesses bis 2012 ("Das obligatorische Referendum war ein fest planbarer Prozess, fakultatives Referendum nach gewissem Zeitablauf und Prüfung der Unterschriften bedarf längere Zeitspanne.") oder der nicht möglichen Entkoppelung von der separaten Abstimmung zu Steuerfuss und Voranschlag ("Die Komponenten gehören zusammen, denn Einnahmen und Ausgaben bedingen sich im Budget und der Steuerfuss ist eine feste Einnahmegrösse, die auf Grundlage des Voranschlages angesetzt wird."). Eine Diskussion war für diesen Abend nicht gewünscht: Diese kann am geplanten Podium vom 2. September, ab 19 Uhr, im Saal der reformierten Kirchengemeindehauses aufgenommen werden.