Das Mittelalter hat in unseren Zeiten und Breitengraden oft einen etwas gedämpften Ruf. Man spricht gerne vom «finsteren Mittelalter» und stützt sich dabei eher auf Überlieferungen denn auf klare Fakten. Fakt ist aber, dass sich wenige damit brüsten, dass sie sich stolz mittelalterliche Gebaren zu eigen gemacht haben. Schliesslich sind wir ja doch ein Stück weiter …so sollte man meinen.…
Lassen wir Feudalsysteme, stagnierende Kultur mal auf der Seite und horchen hin, wo uns die Kommunikation immer wieder, oft unbewusst, sprachlich ins Mittelalter katapultiert.
Da wär mal die Sache von „Es brennt mir auf den Nägeln“ (es eilt). Das kommt daher, dass damals die Mönche im Kloster sich während der Frühmesse kleine Kerzen auf den Daumennägeln befestigten, damit sie in ihrem Gebetbuch lesen konnten. Wenn die Messe zu lange dauerte und die Kerzen zu weit auf die Nägel abbrannten, musste schneller gesungen werden, damit sich die Mönche nicht verbrannten. Eigentlich noch logisch.
„Ein Brett vor dem Kopf haben“ klingt wenig schmeichelhaft und wird meist für Denk-Unvermögen verwendet. Ursprünglich hat der Ausdruck aber nichts mit Dummheit zu tun. Er stammt aus der Tierhaltung: Störrischen Ochsen hängte man ein Brett vor die Augen, um sie zu beruhigen und die Arbeit mit ihnen zu erleichtern. Ob sich damit auch störrische Menschen beruhigen lassen, bleibt unbelegt.
Wer blau macht, fehlt unentschuldigt. Soweit so gut oder natürlich nicht. Da versteht man sich zumindest sprachlich. Der Ausdruck stammt vom Färben von Stoffen mit der Farbe Blau. Das war ein arbeitsintensiver und langwieriger Prozess. Die Färber legten sonntags ihre blau gefärbten Stoffe in ein Färbebad, montags wurden sie zum Trocknen aufgehängt. Während des Trocknens hatten die Gesellen nichts zu tun – sie „machten blau“.
Heute finden an diesem Tag die statistisch gesehen meisten Meetings statt. Was ja sicher nichts mit Blaumachen zu tun hat…so hoffen wir doch einfach einmal…
So hat sich das Mittelalter zumindest in der Alltagssprache seinen Platz in unserem Leben erschlichen. Gerne würde ich in 700 Jahren einmal auf die Erde hinabsehen, um zu kontrollieren, was sich aus aktuellen Redewendungen, wie z.B. "Wir brauchen keine Lösung, wir brauchen ein Narrativ" oder "Komm mal runter von deinem Metaverse" ins Jahr 2725 hat herüberretten können.