Der Gemeinderat bemängelt, dass der Regierungsrat zum Gegenvorschlag (Variante 1) keine Aussagen macht über wichtige Themen wie die Steuerfuss- und Finanzausgleich-Entwicklung sowie den Fusionsprozess. Ohne Frage würde eine Nivellierung der Steuerfüsse die Gemeinde Teufen und damit den ganzen Kanton schwächen, da die beste «Milchkuh» im Stall geschlachtet würde. Weiter stellt der Gemeinderat fest, dass der durch den Regierungsrat gemachten Vergleich mit dem Kanton Glarus unzulässig ist. Glarus hatte mit seinen 40'000 Einwohnern vor der Fusion eine stattliche Anzahl von 103 Gemeinden (27 politische Gemeinden, 34 Schul- und 23 Fürsorgegemeinden sowie 19 Ortsbürgergemeinden), die stark ineinander verflochten waren. Im Vergleich dazu weist Appenzell Ausserrhoden mit 55'000 Einwohner und seinen 20 Einheitsgemeinde eine im Vergleich übersichtliche und einfache Gemeindestruktur auf. In Ausserrhoden gibt es keine Schulgemeinden, Ortsbürgergemeinden oder weitere Spezialgemeinden. Die Ausserrhoder Gemeindestrukturen sind nicht verflochten, sondern übersichtlich und damit intakt. Es stellt sich daher grundsätzlich die Frage, ob ein derart starker Reformdruck besteht, dass aus zwanzig neu vier Gemeinden werden, sowie ob dermassen tiefgreifenden Reformen verhältnismässig sind hinsichtlich der kulturellen und ideellen Werte die für immer verloren gehen.
Gründe für Ablehnung Gegenvorschlag
Der Gegenvorschlag des Regierungsrates und damit die von oben diktierte Zwangsreduktion der Anzahl Gemeinden von heute 20 auf neu 4 Gemeinden wird ausdrücklich abgelehnt,
- weil die Strukturen in Appenzell Ausserrhoden intakt sind und entsprechend viel weniger Handlungsbedarf für Gemeindestrukturverbesserungen ansteht.
- weil, wie es sich in anderen Kantonen zeigt, in durch Zwangsfusionen geschaffenen künstlichen Konstruktionen die Seele der Dörfer verloren geht.
- weil der identitätsstiftende Gemeinschaftssinn verloren geht und damit auch ein grosser Teil des bisherigen politischen Engagements durch Privatpersonen im Milizsystem, welches zu einem grossen Teil den Motor für die erfolgreiche Weiterentwicklung einer Gemeinde antreibt. In Urnäsch arbeiten über 100 Personen in Behörden und Kommissionen mit und stellen ihr Know-how praktisch unentgeltlich zur Verfügung.
- weil die im Milizsystem, nebenberuflich amtenden Gemeinderätinnen und Gemeinderäte von ihren beruflichen Tätigkeiten her viel privatwirtschaftliches Wissen, Ideen und Visionen einbringen, die bei amtenden Berufspolitikern nicht mehr zur Verfügung stehen würden. Diese vorteilhafte Konstellation verhindert, dass nur verwaltet wird und damit der Bürokratismus noch schneller ansteigt. In einer neuen Grossgemeinde müsste durch den Wegfall dieser Milizarbeit die Verwaltung entsprechend aufgestockt werden. Der Beamtenstaat würde dadurch gefördert.
- weil eine mittlere Gemeinde wie Urnäsch über genügend kompetentes Fachpersonal verfügt, welches sich sehr stark mit dem Arbeitsort identifiziert und der Bevölkerung eine professionelle und verhältnismässig preiswerte Dienstleistungsqualität bietet.
- weil die in unserer Gemeinde gegebene Nähe zwischen der Bevölkerung, den Behörden und der Verwaltung verloren geht, welche das Interesse an lokalpolitischen Zusammenhängen sowie das gegenseitige Vertrauen fördert.
- weil kleinere Gemeinden ausgehöhlt und dadurch geschwächt werden. Denn selbst starke Gemeinden (vgl. Teufen) würden geschwächt, weil das Gefälle bei Fusionen ausgeglichen werden müsste, was sehr hohe Ausgaben zur Folge haben würde.
- weil die Voraussetzungen für erfolgreiche Zusammenlegungen im Appenzeller Hinterland fehlen, da die Gemeinden keine geographische, siedlungspolitische und kulturelle Einheit bilden.
- weil Zwangsfusionen grundsätzlich abgelehnt werden.
- weil es nicht akzeptabel ist, dass Vorderländer- oder Mittelländergemeinden über eine Zwangsfusion im Hinterland mitentscheiden sollen und weil jede Gemeinde in Appenzell Ausserrhoden souverän selber über die Fusion entscheiden können muss.
Nicht zu Ende gedacht
Es fragt sich, in wieweit sich der Regierungsrat die Konsequenzen des radikalen Vorschlags ̶ Zwangsfusionen von heute 20 Gemeinden auf neu 4 ̶ überhaupt überlegt hat. In den einzelnen Gemeinden besteht eine Vielfalt an Spezialitäten und Eigenlösungen, die dann unter ein Dach gebracht werden müssten. Auch weitere Grundaufgaben sind in den einzelnen Gemeinden unterschiedlich gelöst. So erfolgt z. B. die Strom- und die Wasserversorgung im Hinterland grösstenteils durch private Anbieter. Für eine Gemeinde Hinterland würde dies somit bedeuten, dass in der gleichen neuen Gemeinde für diese Grundbedarfsangebote unterschiedliche Preise bezahlt werden müssten.
Der Regierungsrat äussert sich in den Vernehmlassungsunterlagen auch nicht zu wichtigen Themen wie die Steuerfuss- und Finanzausgleich-Entwicklung sowie den Fusionsprozess.
Eine Nivellierung der Steuerfüsse würde Teufen und damit den ganzen Kanton schwächen.
Was würde Urnäsch infolge Zwangsfusion möglicherweise opfern?
Urnäsch ist die flächenmässig grösste aber hinterste Gemeinde im Appenzeller Hinterland, getrennt von den anderen Gemeinden durch Hügel und Wälder, und unterscheidet sich mit lebendigen Traditionen und dem Brauchtum im Charakter von den anderen Gemeinden im Hinterland. Mit dem Gegenvorschlag des Regierungsrates opfern wir nebst einem grossen Teil der Selbstbestimmung noch vieles mehr:
Wir werden nicht mehr in der Lage sein zu beeinflussen, dass Arbeitsplätze verloren gehen infolge der Zentralisierungen von Verwaltung, Gemeindebetrieben, Oberstufe, technische Betriebe, etc.
Wir werden nicht mehr in der Lage sein, die Autonomie und damit den Spielraum aufgrund der speziellen örtlichen Begebenheiten zu nutzen, und das Potential von Urnäsch herauszuschälen, weiterzuentwickeln, zu steuern und zu fördern;
Wir werden nicht mehr in der Lage sein, neue Projektideen direkt zu unterstützen und damit zu realisieren (z. B. kürzlicher Bau des Pumptracks) sowie unmittelbar zu steuern und zu beeinflussen was in unserer Gemeinde erhalten oder weiterentwickelt wird;
Wir werden nicht mehr in der Lage sein die Rahmenbedingungen für das gesellschaftliche Leben selber zu bestimmen und direkt politisch zu beeinflussen, so z.B.
- das Angebot der Vereinsinfrastruktur (Turnhallen, Lokale, etc.), was die jetzige Vereinskultur und damit auch das Leben im Dorf verändern wird;
- ob lokale Institutionen finanziell unterstützt werden (z.B. den Skilift, die Kindertagestätte, die Kirche, das Brauchtumsmuseum), um dadurch Schliessungen und Betriebseinstellungen bei grösseren Investitionen zu verhindern;
- um den Betrieb unserer Jugendräumlichkeiten im Dorf aufrecht zu erhalten, weil die Zusammenlegung von Jungendtreffs nicht auszuschliessen ist;
- die Angebote für das Alter aufrecht zu erhalten, weil nicht auszuschliessen ist, dass kleine und mittelgrosse Altersheime geschlossen werden, zu Gunsten einer grossen zentralen Lösung.
- das Angebot der Volksschule mit allen Stufen zu erhalten, und zu verhindern, dass die Oberstufen in einer Nachbargemeinde zentralisiert werden und Urnäsch für Familien an Standortattraktivität einbüsst;
- auf den Ausbau des lokalen Tourismusangebots (wie Lilliweg, Winterwanderwege), inkl. das Betreiben der Tourist-Info, um damit die örtlichen Betriebe zu unterstützen;
- den Erhalt und Ausbau der Dienstleistungen (Entsorgungsangebote, Abwasserversorgung, Energieversorgung, Schneebruch, etc.) aufgrund der lokalen Bedürfnisse und Begebenheiten.
Keine Vorteile für Urnäsch
Die Frage «Was gewinnen wird durch eine Zwangsfusion mit den anderen Hinterländer-Gemeinden» wird deshalb im Gemeinderat wie folgt beantwortet: «Wir bringen viele Opfer und verlieren einen grossen Teil der Selbstbestimmung. Im Moment sehen wir überhaupt keine Vorteile bei einer Zwangsfusion zu einer Gemeinde Hinterland». Der Gemeinderat unterstützt jedoch die vorgeschlagene Variante 3 und damit das Streichen der Gemeindenamen aus der Kantonsverfassung. Damit werden in der Verfassung die Rahmenbedingungen geschaffen, damit freiwillige Fusionen erfolgen können.
Die detaillierte Stellungnahme ist einsehbar unter folgendem Link:
http://www.urnaesch.ch/de/aktuelles/aktuelles2/aktuellesinformationen/