Nach der ersten Pandemiewelle war man sich von links bis weit rechts einig: Bilder von Maschendrahtzäunen an den Grenzen dürfen sich nicht wiederholen. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Verflechtungen mit unseren Nachbarn sollen nicht pauschal durchtrennt werden. Der Pandemie ist stattdessen mit zielgerichteten Massnahmen entgegenzuwirken.
Umso befremdlicher sei ein gemeinsames Schreiben der nationalen Parteipräsidien mit dem Titel «Zielführende Corona-Massnahmen für Ein- und Ausreise », das vom 22. Januar 2021 datiert, findet die IHK St.Gallen-Appenzell.
Darin fordern die sechs grössten Schweizer Parteien geschlossen ein «umfassendes Grenz- und Testregime». Dieses soll helfen, «die Pandemie möglichst gut zu kontrollieren und andererseits möglichst wenige Einschränkungen der Wirtschaft und Gesellschaft» aufzubürden. «Was im Grundsatz unterstützenswert klingen mag, erweist sich bei näherer Betrachtung als Affront gegenüber den Grenzregionen und unseren Nachbarn», so die Industrie- und Handelskammer.
Umfassendes, praktikables Testsystem
Insbesondere die Forderung, wonach sich Grenzgängerinnen und Grenzgänger systematisch alle drei Tage testen lassen müssen, zeugt von fehlendem Praxisbezug und wenig Gespür für die Gegebenheiten in Grenzregionen. Eine solche Regelung wäre kaum umzusetzen.
Unbestritten: Infektionsketten müssen rascher erkannt und unterbrochen werden können. Der Weg führt unter anderem über eine umfassendere, praktikable und leistungsfähige Teststrategie. Den Fokus gilt es aber auf Hotspots und Einrichtungen mit besonders gefährdeten Personen zu richten – und nicht auf Grenzübertritte durch Personen mit tiefem Infektionsrisiko. Die Ankündigung des Bundes, künftig auch asymptomatischen Personen einen barrierefreien Zugang zu Tests zu ermöglichen, ist demnach zu begrüssen.
Basierend auf epidemiologischen Daten
Quarantäneregeln für Personen aus Risikogebieten mögen sinnvoll sein, insbesondere im Bereich der vermeidbaren Mobilität. Dass auch (Geschäfts-)Reisende aus Ländern mit wesentlich tieferen Inzidenzen einer Quarantänepflicht unterworfen werden sollen, sei aber aus epidemiologischer Sicht nicht nachvollziehbar. Gar als diskriminierend ist die Testpflicht für Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Herkunftsländern mit tieferen Fallzahlen einzustufen.
«Weshalb sollen Arbeitspendler aus einem Kanton mit hohen Inzidenzahlen anders behandelt werden als Arbeitspendler aus dem grenznahen Ausland mit tiefen Inzidenzahlen? Stattdessen muss das Grenzregime regional und basierend auf epidemiologischen Daten betrachtet werden.»