- Kolumne Dr. Philipp Gut
Die Szene spielt Samstagnacht, gegen 23 Uhr: Vor der Bossard-Arena in Zug versammeln sich mehrere Tausend Menschen. Sie feiern den zweiten Schweizer Meistertitel in der Klubgeschichte des Eissportvereins Zug (EVZ) nach 1998.
Bärenstarkes politisches Statement
Die euphorisierte Menge steht dicht gedrängt, jubelt, hüpft und singt. Manche tragen Masken, andere pfeifen darauf.
Es ist ein Triumph mit Signalcharakter, nicht nur für die Sportbegeisterten in der Zentralschweiz: Es ist ein politisches Statement, wie man es in den bleiernen Zeiten der Corona-Massnahmenkrise noch nicht gesehen hat.
Polizei drückt beide Augen zu
Zur Erinnerung: Laut aktueller Verordnung des Schweizer Bundesrats gilt, Zitat Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Alle Menschen müssen an fast allen Orten eine Maske tragen.» Und: Bei Veranstaltungen mit Publikum dürfen sich drinnen «höchstens 50 Personen» und draussen «höchstens 100 Personen» treffen. Im privaten Bereich sind die Vorschriften noch härter (10 respektive 15 Personen).
Die Rechtslage ist also klar, und ebenso klar ist, dass sich hier so viele Menschen wie noch nie seit Ausrufung des Sonderrechts über die Vorschriften der Regierung hinwegsetzten. Die Polizei drückte – zu Recht – beide Augen zu.
Akt des zivilen Ungehorsams
Es gibt einen stehenden Begriff für Vorgänge dieser Art: ziviler Ungehorsam. Geschaffen hat ihn der amerikanische Dichter und Philosoph Henry David Thoreau (1817–1862) in seinem Essay «Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat». Thoreau weigerte sich aus Protest gegen die Sklaverei und den Krieg gegen Mexiko, den die USA damals führten, Steuern zu zahlen.
Dem Bundesrat entgleitet die Macht
Natürlich dachten die Hockeyfans in dieser unvergesslichen Zuger Nacht nicht in erster Linie an eine politische Aktion. Aber sie machten die illegale Feier automatisch dazu, indem sie ihrer Leidenschaft freien Lauf liessen und sich über das Verbotsregime des Bundesrats hinwegsetzten.
Dasselbe lässt sich auch an anderen Orten beobachten. Etwa, wenn die Menschen sich weigern, auf den Terrassen von Restaurants und Cafés eine Gesichtsmaske zu tragen.
Denn ja – so unglaublich es klingt –, auch das ist in der Schweiz vom Frühjahr 2021 illegal: an der frischen Luft das Gesicht zu zeigen.
Sind das etwa alles hirnlose Kriminelle?
Sind das nun alles rücksichts- und hirnlose Kriminelle, die ihr eigenes und das Leben von anderen gefährden, indem sie die Regeln des Staates verletzen?
Natürlich nicht. Es ist die ganz normale Reaktion von vernünftigen Bürgerinnen und Bürgern, die selbst denken und eigenverantwortlich handeln. Diese Menschen sind keine Rüpel, sie leben einfach ihre durch die Bundesverfassung garantierten demokratischen Rechte.
Ihr Beispiel führt uns vor Augen, in welche absurde Sackgasse der mit Sondervollmachten ausgestattete Bundesrat unser freies Land geführt hat.
Rückkehr zu den Grundrechten
Damit zeigen sie uns allen eine Alternative zum autoritären Durchregieren auf: Sie verkörpern durch ihr selbstverständliches Handeln ein Menschenbild, das auf Freiheit und Selbstverantwortung setzt.
Dem Bundesrat entgleitet langsam die Macht.
Es ist höchste Zeit, dass er das erkennt und dass wir endlich zu unserer liberalen Demokratie mit allen unseren uneingeschränkten Grundrechten zurückkehren.
Politiker spielen sich als Türsteher auf – Schluss mit der Willkür
Den Schlusssatz formuliere ich nicht nur als alter EVZ-Fan, schalalala, sondern als freier Bürger dieses Landes: Es darf nie mehr einen Playoff-Final und überhaupt keine Sport- und sonstige Veranstaltung geben, bei der sich Politiker als Türsteher aufspielen, um die Willkür ihrer vom Souverän geliehenen Macht zu demonstrieren.