Zwei linke Nationalrätinnen wollten für die kommende Herbstsession der eidgenössischen Räte eine Zertifikatspflicht einführen. Aus «Fairness» gegenüber anderen Veranstaltungen, wo diese Pflicht gelte, sollten nach Ansicht von Flavia Wasserfallen (SP) und Gabriela Suter (ebenfalls SP) nur Covid-Zertifizierte – was für ein schauerlicher Begriff – zugelassen werden.
Verstoss gegen Grundrechte
Mit dem Antrag befasste sich die sogenannte Verwaltungsdelegation des Parlaments – und sogar der Bundesrat. Beide lehnten ihn ab. Die Begründung der Regierung hat es in sich: Der Bundesrat hält nämlich fest, «dass eine Zertifikats-Zugangsbeschränkung bei politischen Versammlungen der Legislative unzulässig ist, da die verfassungsmässigen Rechte und Pflichten der Ratsmitglieder und Magistratspersonen zu sehr eingeschränkt würden».
Zweierlei Massstäbe
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Im Klartext sagt der Bundesrat: Die Zertifikatspflicht verstösst gegen die Verfassung, weil sie die Grundrechte verletzt. Aber nur bei den durchlauchten Damen und Herren Politikern!
In der ganzen Diskussion um das Covid-Zertifikat hat der Bundesrat bisher nie zugegeben, dass ein solches gegen die Verfassung verstösst. Bei den Parlamentariern und bei sich selbst legt er nun andere Massstäbe an: Da gelten plötzlich die «verfassungsmässigen Rechte» wieder.
Die falschen Freunde der Verfassung
Mit dieser selektiven Auslegung der Verfassung zementiert die Regierung die Spaltung des Volkes, die sie selbst wortreich beklagt. Wahre Freunde der Verfassung pochen darauf, dass die Grundrechte immer gelten – für alle.
Das müssen wir Normalsterblichen den privilegierten Politikern in Erinnerung rufen, wenn sie das nächste Mal unsere «verfassungsmässigen Rechte» aushebeln wollen, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen.